CSU verweigert sich der Integrationspolitik

31. Mai 2016

Die bayerische Staatsregierung hat den Entwurf eines Integrationsgesetzes verabschiedet und wird es diese Woche Mittwoch in den Landtag einbringen.
Man sollte meinen das sei eine gute Idee. Von den Menschen, die in den letzten Monaten zu uns gekommen sind werden viele hier bleiben. Vielleicht für immer. Sie brauchen Unterstützung dabei sich in unserem politischen und gesellschaftlichen System zurecht zu finden, sie brauchen Wohnraum, Möglichkeiten die Sprache zu erlernen, Arbeit und vieles mehr.

Leider hat das sogenannte Integrationsgesetz der Staatsregierung mit all dem nicht viel zu tun. Es ist nicht im Ansatz wert als solches bezeichnet zu werden. Dies wird schon an den Ankündigungen des CSU-Fraktionschefs Kreuzer deutlich, die an diesem Montag in der Main Post zu lesen waren: „Wir müssen alles tun, um diese Menschen zur Integration zu bewegen.“ Kreuzer meint damit leider keineswegs Rassisten wie Alexander Gauland, der am Wochenende gegen den Fußballspieler Jérôme Boateng hetzte oder die AfD als Partei, die in ihrem Parteiprogramm schreibt, dass der Islam nicht zu Deutschland gehört. Nein, er meint all diejenigen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen und von denen die meisten hochmotiviert sind die deutsche Sprache zu lernen und an unserer Gesellschaft teilzuhaben. Kreuzer stellt diese Menschen allesamt als Integrationsverweiger_innen dar. Es sei „absolut notwendig, unsererseits Integrationsbemühungen von den Migranten zu verlangen und Sanktionen zu verweigern, wenn die Integration verweigert wird.“ Die CSU macht mit solchen Äußerungen und dem Geist ihres Integrationsgesetzes die Ausnahme, nämlich dass Menschen nicht an der Gesellschaft partizipieren wollen, zur Regel. Wenn sich hier jemand der echten Integrationspolitik verweigert, dann ist es die CSU.

Denn Integration bedeutet in der Diktion des sogenannten Integrationsgesetzes: grundsätzliches Misstrauen gegenüber Menschen die zu uns kommen, Ausgrenzung aus der Gesellschaft und Abhalten von Teilhabemöglichkeiten. Es bedeutet also all das, was Integration nicht ist. Dass der Entwurf des Integrationsgesetz gleich am Anfang mit der Überschrift „Problem“ beginnt, sagt im Grunde bereits alles. Zuwanderung und Integration sind für die Konservativen schon immer Probleme gewesen, anstatt sie als gesellschaftliche Aufgaben zu begreifen, die nicht nur Schwierigkeiten, sondern auch Bereicherung und Fortschritt bedeuten.

Wieder taucht im Gesetz der unsägliche Begriff der Leitkultur auf – man möchte ihn mit ‚d‘ schreiben, denn leid bin ich das Geschwafel von einer „christlich-abendländischen Kultur mit jüdischen Einflüssen“ allemal. Zudem weiß leider auch nach Lektüre des Gesetzesentwurfs kein Mensch, was die Staatsregierung unter dieser Leitkultur versteht. Gesellschaftliche Werte sind in der Verfassung des Freistaats Bayern und im Grundgesetz verankert – von einer Leitkultur steht in beiden Verfassungen nichts. Sie gelten für alle. Und daraus ergeben sich übrigens nicht nur Regeln, die von den Zugewanderten beachtet und eingehalten werden müssen, sondern vor allem Rechte, Grundrechte, die der Staat gegenüber den Menschen zu gewährleisten hat. Wenn man sich in Unterkünften des Freistaats umsieht, ist das beileibe nicht immer der Fall – vielleicht sollte man dazu etwas in ein Integrationsgesetz schreiben?

Wer in einem Integrationsgesetz Artikel wie „Achtung der Rechts- und Werteordnung“ oder „Unterlaufen der verfassungsmäßigen Ordnung“ aufnimmt – was mit bis zu 50.000 Euro bestraft werden soll – der offenbart eine grundsätzlich misstrauische Haltung gegenüber den Menschen, die zu uns kommen. Das gilt auch für den Antisemitismus, dessen Bekämpfung laut Gesetz zentraler Bestandteil aller Integrationsbemühungen sein muss. Die Bekämpfung des Antisemitismus ist ein unterstützenswertes Ziel, das an dieser Stelle aber reichlich deplatziert wirkt, weil es offensichtlich nur dazu dient, alle aus arabischen Ländern zu uns kommenden Menschen als antisemitisch zu klassifizieren. Wer sich die Entwicklungen der letzten Monate, die Angriffe auf muslimische Mitbürgerinnen und Mitbürger, sowie die Parolen von Pegida und AfD so anschaut, der könnte meinen das Thema antimuslimischer Rassismus sollte in einem Integrationsgesetz ebenfalls behandelt werden. Dies würde aber voraussetzen, dass man sich nicht nur mit Zuwanderinnen und Zuwanderern beschäftigt, sondern auch mit der Mehrheitsbevölkerung. Die Distanzierungen der CSU von den Äußerungen der AfD wirken vor dem Hintergrund dieses Gesetzes nicht glaubwürdig. Integration scheint nach diesem Gesetz jedoch eine „milde Gabe“ der Mehrheitsbevölkerung zu sein, so steht in der Begründung z.B., dass „privilegierte Ausländer im Sinne des Abs. 2 und Deutsche mit Migrationshintergrund […] in den Genuss der Integrationsförderung nach diesem Gesetz gelangen“. Für mich heißt das: Die CSU hat nichts verstanden. Nichts davon, dass Integration eine Aufgabe für eine gesamte Gesellschaft ist, nichts davon, dass auch die gesamte Gesellschaft von ihr profitiert.

Das Integrationsgesetz der CSU zeichnet ein Bild von einer Gesellschaft, in der ich nicht leben will. Und ich glaube, dass es vielen Menschen in Bayern, die sich Tag für Tag für Geflüchtete einsetzen, genauso geht. Wir wollen in einer Gesellschaft leben, in der alle Menschen gleiche Rechte haben, egal woher sie kommen, in der Integration bedeutet, dass wir Menschen, die zu uns kommen, die Unterstützung geben, die sie brauchen um sich in unserer Gesellschaft wohl zu fühlen und in der wir sie beschützen vor den rassistischen Parolen und Angriffen der Ewiggestrigen.

Schade, dass wir nicht durch die Zeit reisen können. Sonst könnten wir die CSU in einem vergangenen Jahrhundert abholen, in dem sie offenbar immer noch lebt, und sie hier bei uns in einer weltoffenen Gesellschaft integrieren. Einfach wäre das aber nicht.

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