In welcher Stadt wollen wir leben?

21. November 2019

Rede zu den Haushaltsberatungen der Stadt Würzburg für das Jahr 2020

Es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrter Herr Stadtkämmerer,
liebe Kolleginnen und Kollegen!

In welcher Stadt möchten wir im Jahr 2040 leben?

Als Sozialdemokrat sage ich Ihnen: wir wollen, dass unsere Stadt in 20 Jahren sozialer, moderner und ökologischer ist. Wir möchten in einer Stadt leben, in der alle Menschen gut, gerne und sicher daheim sind. Bestimmt stimmen mir viele von Ihnen an dieser Stelle zu. Doch beim konkreten Wie fängt die Auseinandersetzung schon an.

Und diese Auseinandersetzung gehen wir in den nächsten zwei Tagen an. Mit den Haushaltsberatungen für das Jahr 2020 stellen wir heute die Weichen dafür. Neben der Jahresplanung für 2020 ringen wir um die mittelfristige Finanzplanung und besonders darum, welche Großprojekte wir schon heute für später anschieben wollen.

Auch wenn sich die Prognosen der Steuerschätzer – und somit auch unserer städtischen Kämmerei – etwas eintrüben, lässt die wirtschaftliche Gesamtsituation auch in unsere Stadt weiter eine positive Entwicklung zu. Zwar sinken die Prognosen für die Gewerbesteuer von 99 Mio. Euro im Jahr 2019 auf 95 Mio. Euro im Jahr 2020. Dies macht aber voraussichtlich der Gemeindeanteil an der Einkommenssteuer schon wieder wett, der von 79 Mio. Euro auf voraussichtlich 83 Mio. Euro steigt. Problematisch sind für uns eher die steigende Bezirksumlage und die sinkenden Schlüsselzuweisungen. Gleichzeitig sehen wir die steigenden Personalausgaben von 153 Mio. Euro auf 160 Mio. Euro mit Sorge. Doch unsere Stadt wächst und das ist gut so. Durch Aufgabenmehrungen – wie beispielsweise in unserem neuen Stadtteil Hubland – sind 60 zusätzliche Stellen nötig. Trotz diesen Mehrbelastungen schaffen wir es im Verwaltungshaushalt rund 22,4 Millionen Euro Überschuss zu erwirtschaften und in den Vermögenshaushalt zu überführen. Dies lässt wichtige Investitionen zu. Unsere Priorität sehen wir in den Bereichen Stadtentwicklung, Umwelt und Mobilität.

Die soziale Frage der Gegenwart ist zweifelsohne bezahlbarer Wohnraum. Deshalb muss die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum aus unserer Sicht höchste Priorität haben. Keine Entwicklungsfläche in unserer Stadt darf heute mehr geplant werden, ohne dass die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum mit berücksichtigt wird. Dies gilt im Besonderen auch für die ehemalige Faulenbergkaserne. Als SPD beantragen wir deshalb für den Haushalt 2020 5 Millionen Euro für den Ankauf von bebauten Grundstücken. Konkret meinen wir damit die ehemalige Faulenbergkaserne und das ehemalige Kreiswehrersatzamt. Gleichzeitig machen wir noch einmal deutlich, dass auch in Teilen der ehemaligen Faulenbergkaserne durch Inanspruchnahme der Verbilligungsrichtlinie des Bundes zusätzlicher geförderter Wohnraum entstehen soll. Zusätzlich beantragen wir 100.000,- Euro Planungskosten für das neue Wohngebiet Kronberg II in Versbach.

Auch die Umweltpolitik ist eine soziale Frage – geht es doch letztendlich darum, wer später dafür bezahlt, dass wir heute in vielen Bereichen über unsere Verhältnisse leben. Gerne kommt jetzt das Totschlagargument, dass wir in Würzburg nicht das Weltklima retten können. Dem entgegne ich: das stimmt! Aber wir müssen dafür Sorge tragen, dass wir den uns möglichen Beitrag leisten. Und ich füge noch hinzu: schon jetzt macht das Weltklima keinen Halt vor Würzburg. In den Vorgesprächen mit Umweltreferent Kleiner wurde deutlich: aus seiner Sicht braucht es im Haushalt 2020 keine zusätzlichen umweltpolitischen Aktivitäten. Alles ist gut, wie es ist. Die Stadtverwaltung schafft das auch ohne die Politik. Das sehen wir Sozialdemokraten völlig anders! Kollege Kleiner konnte nach 45 minütiger Diskussion nicht deutlich machen, wie man mit den 600 Würzburger Stadtbäumen umgehen soll, die in den letzten Hitzesommern abgestorben sind. Nach derzeitigen Planungen sollen nur 250 Bäume neu gepflanzt werden. Wir fordern: auch die restlichen 350 Bäume müssen nachgepflanzt werden. Sie leisten einen wichtigen Beitrag für das Stadtklima. Und leider müssen wir davon ausgehen, dass in den kommenden Jahren weitere Hitzesommer vor uns stehen und sich die Hitzeschäden an vielen weiteren Bäumen fortsetzen. Den Betrag haben wir an dieser Stelle leider offen lassen müssen, denn Umweltreferent Kleiner konnte oder wollte uns hierfür in den Vorberatungen keine hausinternen Lösungen des Gartenamts anbieten, die wir aber – auch angesichts der aktuellen Personalsteigerungen im Gartenamt – für machbar ansehen.

Die Verkehrspolitik unserer Stadt hängt unzweifelhaft direkt mit der Umweltpolitik zusammen. Viele sehen noch immer das Auto als wesentliches Verkehrsmittel. Wir wollen stattdessen lieber die alternativen Verkehrsmittel Straßenbahn, Bus und Fahrrad fördern und die Nutzung attraktiver machen. Leider beruhen unsere wesentlichen Leitlinien für die Verkehrspolitik auf dem Verkehrsentwicklungsplan von 1995. Die Zahlen sind absolut veraltet und nicht zukunftsweisend. Deshalb beantragen wir eine Neuauflage des Verkehrsentwicklungsplans in Höhe von 100.000,- Euro. Nur so können wir unsere Verkehrspolitik zeitgemäß ausrichten.

Während andere Parteien sich mit Hirngespinsten wie einem E-Boot-Shuttle auf dem Main den Kopf zermartern oder die Lösung unserer städtischen Verkehrsprobleme in einer Seilbahn zur Festung sehen, forcieren wir die Zukunft lieber weiter durch Ausbau der guten alten Straßenbahn. Ich gebe zu: das ist weniger sexy und findet weniger Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit, aber ist dafür solide. Wir setzen uns schon jetzt für die Aufnahme der Planungen einer Straßenbahnlinie nach Versbach und Lengfeld ein und beantragen dafür eine Machbarkeitsstudie in Höhe von 100.000,- Euro. Unser Ziel: schon während des Baus der Straßenbahnlinie 6 zum Hubland wollen wir die nächsten Schritte für den weiteren Ausbau unseres Straßenbahnnetzes gehen. Leider sehen wir ja an diesem Beispiel, wie lange die Planungs- und Realisierungszeiträume sind. Deshalb müssen wir schon jetzt anfangen!

Aber kommen wir noch einmal zurück zum E-Boot-Shuttle auf dem Main. Liebe ÖDP, das ist natürlich totaler Quatsch. Viel wichtiger ist es doch, endlich eine sichere Fahrradüberquerung im Bereich der Löwenbrücke zu schaffen. Es wird endlich Zeit, dass diese sichere Fahrradüberquerung realisiert wird, indem man eine Art Balkon an die bestehende Löwenbrücke andockt oder alternativ durch einen ganz eigenen Steg zwischen Löwenbrücke und Alte Mainbrücke verwirklicht. Wir brauchen endlich eine Lösung für das „Fahrradnadelöhr“ Löwenbrücke. Deshalb beantragen wir hierfür Planungskosten in Höhe von 100.000,- Euro. Außerdem beantragen wir, dass der Radwegepool wieder von 200.000,- auf 500.000,- Euro angehoben wird.

Lassen Sie uns in diesem Haushalt ein Zeichen für weniger motorisierten Autoverkehr und mehr ökologischen Verkehr im Stadtbereich setzen. Ich sage Ihnen: das ist die Zukunft. Und ich erinnere an dieser Stelle noch einmal an die Debatten der Vergangenheit – beispielsweise an die Schließung der alten Mainbrücke für den Autoverkehr. Die Schließung der alten Mainbrücke war damals hoch umstritten. Doch heute zeigt sich: sie war richtig – nicht nur wegen dem Brückenschoppen!

Liebe Frau Kollegin Höpfner, vor wenigen Wochen haben wir hier im Stadtrat den Radentscheid des Bündnisses „Verkehrswende jetzt“ behandelt. In diesem Zusammenhang wurde auch noch einmal die Herausnahme des Autoverkehrs von der Alten Mainbrücke angesprochen. Sie sagten damals relativ laut und für mich gut zu hören: „Da war ich auch dagegen“. Als ich mich umdrehte und sie dann fragte, ob die damalige Entscheidung nicht vielleicht doch richtig gewesen wäre, zögerten Sie kurz, lächelten und sagten „Rückwirkend gesehen, war die Entscheidung richtig“. Nicht nur für diese ehrliche Aussage schätze ich Sie sehr.

Und genau darum geht es, liebe Kolleginnen und Kollegen: lassen Sie uns heute die Entscheidungen so treffen, so dass wir in 20 Jahren miteinander lächeln und gemeinsam sagen „Die Entscheidungen waren zukunftsweisend!“.

In diesem Zusammenhang möchte ich den viel zu früh verstorbenen Schriftsteller Roger Willemsen zitieren. Vor seinem Tod hatte er an einem Buch gearbeitet. Leider wurde dieses Buch nie vollendet. Zentrale Gedanken davon stecken aber in einer sehr klugen Rede, die er bei seinem letzten großen Auftritt hielt. Ich zitiere:

„Wir waren jene,
die wussten,
aber nicht verstanden,
voller Informationen,
aber ohne Erkenntnis,
randvoll mit Wissen,
aber mager an Erfahrung.
So gingen wir,
nicht aufgehalten von uns selbst.“

In diesem Sinn komme ich zum Schluss: Die SPD-Stadtratsfraktion stellt in den Haushaltsberatungen 43 Anträge in Höhe von rund 6,9 Millionen Euro. Was vielleicht überhöht klingt, relativiert sich schnell, wenn man den 5-Millionen-Euro-Antrag zum Ankauf der ehemaligen Faulenbergkaserne abzieht. Die ehemalige Faulenbergkaserne ist eine rentierliche Investition im Bereich Stadtentwicklung und erlaubt – genau wie das Hubland – die Aufnahme von neuen Schulden. Mit den restlichen Anträgen in Höhe von 1,9 Millionen Euro halten wir uns bewusst zurück. Neben den gerade genannten Anträgen setzen wir wichtige Akzente im Bereich Soziales, Schule, Kultur und Sport. An dieser Stelle nenne ich exemplarisch:

Soziales:
Fahrradparcours für Jugendliche in Lengfeld: 25.000,- Euro
Spielpunkte – auch in den Stadtteilen: 10.000,- Euro
Erhöhung des Präventionsfonds Schwangerschaftsberatung: 4.000,- Euro

Schule:
Planungskosten Generalsanierung Steinbachtalschule: 100.000,- Euro
Übernahme von ÖPNV-Kosten bei Schulgängen (z.B. Residenz): 10.000,- Euro

Anträge im Bereich Kultur:
Erhöhung Projektmittel Kulturförderung: 26.000,- Euro Erhöhung Projektförderung freie Theater: 20.000,- Euro
Erstellung eines Kulturberichts: 25.000,- Euro

Anträge im Bereich Sport:
Erhöhung der Investitionskostenzuschüsse für Sportvereine: 100.000,- Euro
Erhöhung Projekte im Sport: (z.B. Tauch nicht ab – lern Schwimmen): 5.000,- Euro

Wie ich zu Beginn meiner Rede gesagt habe, sind die Grundlage unseres finanziellen Handlungsrahmens die nach wie vor sehr guten Steuereinnahmen, die wiederum das Ergebnis einer starken Wirtschaftsleistung unseres Landes sind. Hierauf möchte ich noch einmal zurückkommen und allen Arbeitnehmer*innen und Unternehmen danken, die durch Ihre Anstrengungen und Leistungen diese Entwicklung erst ermöglichen.

Mein Dank gilt allen, die an der Erstellung des Haushaltsentwurfs mitgewirkt haben: dem Stadtkämmerer, den hauptberuflichen Referentinnen und Referenten und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Kämmerei und der gesamten Stadtverwaltung.

Last but not least gilt mein Dank meiner stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden, Lore Koerber-Becker. Bis zu letzter Minute war nicht klar, ob sie heute die Haushaltsrede halten muss. Wie viele von Ihnen wissen, kann es jederzeit sein, dass heute oder morgen mein Telefon klingelt und ich aus wichtigem persönlichem Grund weg muss. In diesem Fall übernehmen Lore Koerber Becker und Hans Werner Loew für die restlichen Haushaltsberatungen die Führung der SPD-Fraktion. Auch deshalb arbeite ich so gerne mit den Mitgliedern dieser Fraktion zusammen, weil auf ein echtes Miteinander zu jeder Zeit verlass ist.

Dieses Miteinander wünsche ich uns allen in den nächsten zwei Tagen. Ich wünsche uns gemeinsam gute und erfolgreiche Beratungen.

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