In seinem über vierseitigen offenen Brief vom 22.07.2016 hat sich der Würzburger Oberbürgermeister Christian Schuchardt zu der Messer- und Axtattacke eines minderjährigen unbegleiteten Flüchtlings geäußert. Ich stimme seinen Ausführungen im Wesentlichen zu, widerspreche aber energisch bei einer seiner Schlussfolgerungen:
OB Schuchardt führt aus „wir brauchen Arbeitsverhältnisse, auch Schlechtbezahlte. Es wäre eine große Hilfe, wenn Ausbildungsverhältnisse statt über drei über vier Jahre angeboten werden könnten. Ein Jahr zum deutsch lernen und drei reguläre Ausbildungsjahre. Auch der Mindestlohn wäre damit durch günstige Ausbildungsvergütungen besser umgangen als durch Beschäftigungsmöglichkeiten auf Ein-Euro-Basis“.
Davon abgesehen, dass der Mindestlohn nicht für Ausbildungsverhältnisse gilt, sondern nur für Arbeitsverhältnisse, gibt es eh schon genug Ausnahmen, wie für Zeitungszusteller, Praktikanten, Jugendliche (wozu auch unbegleitete jugendliche Flüchtlinge gehören) und Langzeitarbeitslose, um nur einige zu nennen. Den Mindestlohn für Flüchtlinge nicht anzuwenden, wäre in mehrfacher Hinsicht kontraproduktiv:
Arbeit muss sich lohnen. Mit weniger als 8,50 € (brutto!) kommen Menschen nicht aus. Mit dem Lohn muss der Lebensunterhalt, Miete und Strom bestritten werden können, dem Niedriglohnsektor ist ein Riegel vorzuschieben. Denn reicht der Lohn nicht zum Leben, landen die Menschen als Aufstocker beim Sozialamt. Das hätte zur Folge, dass alle Steuerzahler über die Stadt die unzureichend bezahlenden Arbeitgeber subventionieren würden. Ganz am Rande würden wir so auch noch in den Wettbewerb zu Ungunsten derjenigen Arbeitgeber eingreifen, die treu und brav den Mindestlohn oder mehr bezahlen.
Aber auch ein weiterer Aspekt verbietet die vom OB vorgeschlagene weitere Ausnahme. Viele Flüchtlinge kommen aus einem muslimischen, oft archaischen, Kulturkreis. Sie definieren sich weniger über Leistung und materiellen Wohlstand, sondern noch viel zu häufig über die Familienehre, d.h. ein bei uns überholtes Frauenbild. Schlechtbezahlte Arbeit stünde einer Integration in unsere Gesellschaft im Wege. Denn wer merkt, dass er, eben weil er Flüchtling ist, für die gleiche Arbeit weniger als Einheimische verdient, kann sein Selbstwertgefühl nur schlecht aus der eigenen Arbeit herleiten, er verbleibt bei der tradierten Anschauung.
Wir würden viel besser zur Integration beitragen, wenn wir die diversen Moscheevereine in unserer Stadt endlich dazu anhalten würden, auf die eigenen Gläubigen einzuwirken, sich in unsere Gesellschaft zu integrieren. Das gilt auch und besonders für die staatlich-türkische DiTiB. Denn letztlich haben die Moscheevereine weitaus mehr Einfluss auf Flüchtlinge als wir.