Im Schnelltempo hat eine von der Würzburger Straßenbahn GmbH (WSB) beauftragte Firma die Gleisanlagen der ehemaligen Linie 3 in Heidingsfeld entfernt. Nunmehr sind nur noch im oberen Abschnitt der Klosterstraße auf Höhe der Ruppertsgasse Schienen zu finden, da dort ein Hochbaukran den Gleisabbau verhindert hat, sowie in der Wenzelstraße.
Trotz Sturm und Dauerregen hat die Firma durchgearbeitet und hat damit die baustellenbedingten Behinderungen gering gehalten. Da die Maßnahme zumindest im Ortskern ohne öffentliche, umfassende und frühzeitige Information stattgefunden hat, gab es einige Beschwerden. Die WSB teilte jedoch mit, dass sie gemäß § 31 Absatz (4) des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) verpflichtet sei, den Rückbau der Gleisanlagen und die Wiederherstellung der direkt angrenzenden Straßenoberfläche vorzunehmen, nachdem die Einstellung des Straßenbahnbetriebes durch die Regierung als Aufsichts-und Genehmigungsbehörde im Mai 2013 per Bescheid amtlich wurde. Gerade der desolate Zustand der Pflastereindeckung der Gleise und das Haftungsrisiko im Rahmen der Verkehrssicherheit machten den Rückbau unabdingbar. Auch war die Instandhaltung für die WSB nicht mehr wirtschaftlich vertretbar gewesen. Die jetzt aus Kostengründen eingebrachte standfeste bituminös gebundene Trag- und Deckschicht greift in keiner Weise einer städtebaulichen Sanierungsplanung vorweg. Dieser Gleisausbau ist Voraussetzung für eine Neuordnung des Verkehrsraums und der angedachten Weiterentwicklung des Altortes von Heidingsfeld und auch des Ostbahnhof-Umfeldes. Auch dort werden die Flächen der ehemaligen Gleisanlage nur provisorisch hergestellt, bis eine Gesamtplanung im Zuge der Eröffnung des Bahnhaltepunktes umgesetzt wird. Die Bushaltestelle Waltherschule wurde mit einem neuen Bordstein-und Blindenleitsystem behindertenfreundlich ausgebaut. Auch wird sie eine neue Wetterschutzeinrichtung erhalten. In der Straße „Am Ostbahnhof“ werden zudem weitere PKW-Stellplätze ohne zeitliche Einschränkung geschaffen. Die Bordsteinkanten zum Fußgängerdurchgang zur Berggasse und am der KiTa St. Laurentius wurden abgesenkt.
Ein großer Trauerzug, an dem auch meine Familie und ich teilnahmen, begleitete bereits im Juni 2001 die letzte Linienstraßenbahn vom Ostbahnhof zur Reuterstraße. Seitdem wurde der Streckenast nur noch als Wendestrecke bei Störungen auf der Strecke Richtung Heuchelhof / Rottenbauer oder für besondere Fahrten wie für den Schoppenexpress verwendet. Als Straßenbahnersatz fährt die Linie 16 durch den Altort und weiter auf der Winterhäuser Straße bis zur Kreuzung Unterer Kirchbergweg. In Gegenrichtung wurde mit der Linie 16 eine direkte Verbindung in die Lehmgrubensiedlung geschaffen, die weiter über das Frauenland in die Innenstadt führt. Ebenso wurde das Angebot zum Katzenberg und Kirchberg (Linie 33) verbessert.
Auch der bauliche Zustand der Strecke ließ zu wünschen übrig: Das Gleis der „Linie 3“ wurde 1967 gebaut und war daher verschleißtechnisch verbraucht. Die Gleiseindeckungen, die Fahrleitung und die Signalanlagen waren erneuerungsbedürftig. Die Kosten für die Erneuerungen hätten nach Berechnungen der Würzburger Straßenbahn GmbH (WSB) ca. 3,5 Mio € betragen. Eine Förderung dieser Investition nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz ist nicht gegeben, so dass die Sanierung der Strecke gänzlich mit Eigenmitteln vollzogen werden müsste. Dringender Handlungsbedarf besteht auch aufgrund des Bruches eines Fahrleitungsmastes in der Zellerau im Februar 2012. Die Untersuchungen haben ergeben, dass die im Spannbetonmast innenliegenden Spannstähle der Stahlsorte „Sigma-Oval-Stahl“ durch Spannungsrisskorrosion gebrochen waren. Einige Chargen dieser Stahlsorte sind bekannt für den Verlust ihrer Stabilität / Spannfestigkeit durch Korrosion. Das Umbrechen der rund 140 im Straßenbahnnetz der WSB vorhandenen Masten, von denen 24 im Bereich des Ostbahnhofs stehen, kann plötzlich und ohne vorher erkennbare Anzeichen erfolgen. Nach derzeitigem Stand der Technik gibt es keine praxisgerechte Prüfmethode, die zerstörungsfrei eine Aussage zur dauerhaften Standfestigkeit der Masten treffen kann. Daher hatte die Technische Aufsichtsbehörde (Regierung von Mittelfranken) der WSB die Auflage erteilt, die Fahrleitungsmasten auszutauschen. Damit einhergehend erfolgte die Einleitung des Verfahrens zur Einstellung des Straßenbahnbetriebs im Abschnitt Reuterstraße – Ostbahnhof.
Durch den Einstellungsbescheid und durch das Entfernen der Gleisanlagen, der Masten und Fahrleitung ist das Kapitel „Elektrische Straßenbahn“ im Städtle endgültig begraben.
Die Historie der Straßenbahn „Linie 3“ im Überblick:
Im Sitzungsprotokoll des Verwaltungsausschusses der Stadt Heidingsfeld vom 25.07. und 26.07.1928 steht in der Vorlage des Vertragsentwurfs unter § 7 der Eingemeindungsbedingungen: „Elektrische Straßenbahn“: „Die Führung der elektrischen Straßenbahn nach Heidingsfeld muss innerhalb eines Jahres nach vollzogener Eingemeindung durchgeführt werden. Der Fahrpreis darf 25 Pfg. für die Strecke Rathaus Heidingsfeld – Hauptbahnhof Würzburg nicht überschreiten. Bis zur Eröffnung der Straßenbahnlinie nach Heidingsfeld ist ein Autobus-Verkehr vom Rathaus Heidingsfeld bis zum Gasthaus Anker einzurichten und zu unterhalten. Fahrpreis 20 Pfg. – Zeitkarten sind zuzulassen, ebenso Arbeiterwochenkarten.“ In der Ausgabe des Heidingsfelder Wochenblatts vom 15. Dezember 1929, dem Organ zur Wahrung der Heidingsfelder Interessen, richtete der 1. Bürgermeister Max Schnabel einen Aufruf an die Bevölkerung für ein „lang ersehntes, freudiges Ereignis für die Stadtgemeinde Heidingsfeld.“ Für Dienstag, den 17. Dezember, nachmittags 2¾ Uhr wurde die Ankunft der ersten Straßenbahnwägen aus Würzburg verkündet. Die feierliche Eröffnung der Linie 3 Würzburg – Heidingsfeld solle vor dem Anwesen Pfriem stattfinden, die Einwohner wurden gebeten, ihre Häuser feierlich zu beflaggen. Dokumente belegen, dass die Heidingsfelder dem Aufruf ihres Bürgermeisters in Scharen gefolgt sind. Sie empfingen den festlich geschmückten Konvoi aus sechs Straßenbahnzügen an der Endhaltestelle Wendelweg. Der Fahrplan sah von 6:30 bis 24:00 Uhr einen 15-Minuten-Takt vor, der Fahrpreis betrug 20 Pfg. Die Straßenbahnlinie nach Heidingsfeld war ein Knackpunkt der vieljährigen Verhandlungen um die Eingemeindung Heidingsfelds nach Würzburg. Dies bestätigt auch der Verwaltungsbericht der Stadt Würzburg aus den Jahren 1928 bis 1930: „Voraussetzung für die zustimmende Stellungnahme des Stadtrats Heidingsfeld war vor allem die Zustimmung des Stadtrats Würzburg hinsichtlich einer Straßenbahnverbindung zwischen Würzburg und Heidingsfeld gewesen.“
Die eigentlich bis zum Jahr 1935 auszuführende und vertraglich festgelegte Verlängerung der Linie 3 zum Rathausplatz konnte erst wesentlich später verwirklicht werden, da erst 1957 ein Straßendurchbruch in der Wenzelstraße die bisherige Zufahrtsmöglichkeit durch das Nikolaustor ersetzte. Im Juli 1966 erging der Beschluss, die Gleisanlagen grundlegend zu sanieren und die Linie 3 in Heidingsfeld zu verlängern. Die Strecke zum Ostbahnhof wurde am 21.02.1968 in Betrieb genommen. In der Hauptverkehrszeit fuhr alle zehn Minuten ein Straßenbahnwagen nach Heidingsfeld. Der zweigleisige Ausbau der Strecke Dallenbergbad bis Reuterstraße erfolgte 1980, die Haltestelle Reuterstraße wurde zentraler Umsteigepunkt zum Bus. In der Hauptverkehrszeit herrschte sodann ein Sechs-Minuten-Takt. 1987 erfolgte der zweigleisige Ausbau Dallenbergbad – Zollhaus / Steinbachtal als Rasengleis, seit Sommer 1988 ist auch der Abschnitt bis zum Haus des Sports (heute Ruderzentrum) zweigleisig. Am 30.11.1989 wurde die Straßenbahnlinie 5 zum Heuchelhof in Betrieb genommen, erweitert im Jahr 1997 nach Rottenbauer. Bis Juni 2001 fuhr die Linie 3 vom Hauptbahnhof bis zum Ostbahnhof. Etwa 50 Personen begleiteten mit einem Sarg die letzte fahrplanmäßige Linienstraßenbahn auf ihrer Fahrt vom Ostbahnhof zur Reuterstraße. Seit zwölf Jahren fährt die Linie 3 aufgrund des deutlich höheren Fahrgastpotentials am Altort Heidingsfeld vorbei zum Heuchelhof. Auch die nun beschlossene Reaktivierung des Ostbahnhofs Heidingsfeld als Haltepunkt für Regionalzüge der Deutschen Bahn AG änderte letztendlich nichts an der Entscheidung, den Streckenast durch das Städtle nun endgültig stillzulegen, da die notwendige Erneuerung der Schienen, Gleiseindeckungen, Fahrleitungen und Signalanlagen etwa 3,5 Mio. Euro gekostet hätte. Dringender Handlungsbedarf bestand vor allem bei den Fahrleitungsmasten aus Spannbeton, die korrosionsgefährdet sind. Am 19. Juli 2013 organisierte die Würzburger Straßenbahn GmbH (WSB) die letzte offizielle Fahrt der Linie 3 durch das Städtle. Zuschauer am Straßenrand fotografierten die Abschiedsfahrt und winkten ein letztes Mal den Fahrgästen zu, zu denen auch eine Schulklasse aus der Walther-Schule zählte. Die Ära elektrische Straßenbahn in Wenzel- und Klosterstraße und am Ostbahnhof ist nun Geschichte. Adieu Straba Linie 3! Du bleibst in guter Erinnerung.
Ein Gedankenspiel sei zum Schluss erlaubt: Im Zuge der Eingemeindung kam die Straßenbahn nach Heidingsfeld. Folgerichtig müsste jetzt wieder die kommunale Eigenständigkeit angestrebt werden...