2015 brennen in Deutschland wieder Flüchtlingsunterkünfte, Länder in Europa bauen einen Zaun und „Ich habe ja nichts gegen Flüchtlinge, aber“ ist ein bei Teilen der Bevölkerung beliebter Satzanfang. Was ist los in diesem Land?
Spätestens jetzt dürften auch die letzten bemerkt haben, dass was dran ist am „Rassismus der Mitte“. Rechtsextremismus ist kein Randphänomen, es ist vielmehr ein Problem, das einige Zeit unter dem Deckmantel der offenen Gesellschaft geschlummert hat und jetzt mit aller Wucht herauskommt. Warum interessiert es niemanden, dass Wolfgang Schäuble selbst sagt, dass wir kein Problem haben, diese Entwicklung finanziell zu schultern? 21 Milliarden Überschuss haben Bund, Länder, Kommunen und Sozialversicherungen im ersten Halbjahr 2015 erzielt. Wir können es uns also leisten, Menschen, die unverschuldet in Not geraten sind, die ihre Heimat, ihre Familien und ihre Freundinnen und Freunde verlassen und die vor Terror und Krieg fliehen, aufzunehmen. Und es ist unsere Pflicht das auch zu tun. Nicht weil wir so gute Menschen sind, sondern weil es Zufall ist, dass wir in diesem Land geboren sind, das seit einigen Jahrzehnten (also noch gar nicht so lange!) in Frieden lebt, und weil andere Menschen die gleichen Rechte haben wie wir: Essen, Trinken, Sicherheit, Frieden, Bildung.
Es macht mich wütend, dass Menschen aus ihrem Geburtsort Rechte ableiten, die sie anderen leichtfertig absprechen. Es macht mich wütend, dass es Politiker und Politikerinnen gibt, die das als „Nöte und Sorgen der Menschen“ bezeichnen und die gleichzeitig Wörter wie „Asylmissbrauch“, „Wirtschaftsflüchtlinge“ und „Armutseinwanderung“ benutzen und sich über den rassistischen Terror in unserem Land wundern.
Wenn ein bayerischer Innenminister dann sogar sagt, man könne die Flüchtlinge nicht Vertriebene nennen, weil das eine Beleidigung für die Vertriebenen sei, dann bleibt mir die Sprache weg. Und ich frage mich: Wo bleibt der Aufstand? Der Aufstand gegen die rassistischen Hetzparolen und die geistigen und materiellen Brandstifter. Der Aufstand für eine menschliche Gesellschaft, für internationale Solidarität und für einen menschenwürdigen Umgang mit Menschen, die geradewegs aus der Hölle zu uns kommen. Ich finde es beschämend, dass diese Gesellschaft offenbar nicht in der Lage ist sich zu fragen, wie wir uns in dieser Situation fühlen würden und das obwohl Flucht und Vertreibung aus Deutschland erst zwei Generationen her ist. Viel gelernt haben wir offenbar nicht.
Zum Glück gibt es Menschen, die aufstehen gegen dieses Unrecht, die sich engagieren vor Ort, die sich wehren gegen rassistische Hetze.
Eine Möglichkeit aufzustehen gibt es in Würzburg am kommenden Samstag: Ab 14 Uhr findet eine Demonstration mit dem Titel „Refugees welcome“ statt, sie startet am Kiliansbrunnen vor dem Hauptbahnhof.
Lasst uns bei dieser Demo zeigen, dass es in unserer Stadt keinen Platz für Rassismus, aber viel Platz für Menschen auf der Flucht gibt.
Die aktuelle Herausforderung ist nicht ein viel zu oft so bezeichnetes „Flüchtlingsproblem“. Die Herausforderung dieser Tage besteht im Aufstehen gegen rechte Gewalt und Rassismus. Daran werden wir uns messen lassen müssen.